So denken und arbeiten Finanzjournalisten

In der Studie „Meet the Press“ wird untersucht, welche Rolle Finanzjournalisten in der Informationsvermittlung spielen und welchen Anreizen sie in ihrer Berichterstattung unterliegen. Dies ist wichtig, da Journalisten eine entscheidende Rolle am Kapitalmarkt spielen, indem sie Informationen über Unternehmen, Märkte und Institutionen sammeln und Stories sowie Nachrichten für eine Vielzahl an Zielgruppen veröffentlichen.

Die Untersuchungen der vorliegenden Studie beziehen sich auf konkrete Artikel über Unternehmen. Dazu ein Hinweis in eigener Sache: Ich bin ebenfalls Finanzjournalist, aber befasse mich mit wissenschaftlichen Studien und allgemeinem Kapitalmarkt-Research auf der Metaebene, schreibe also nicht über einzelne Aktien oder Unternehmen.

Konkret wurden für die Studie 462 Finanzjournalisten befragt und 18 detaillierte Anschlussinterviews geführt, um die Informationen, Anreize und Glaubenssätze zu verstehen, die der Berichterstattung zugrunde liegen. Die Ergebnisse lassen sich in vier Aspekten zusammenfassen:

● Finanzjournalisten kommunizieren im Rechercheprozess in hohem Maße mit dem Management eines Unternehmens, das eine entscheidende Informationsquelle darstellt. Mehr als 60% der Befragten geben an, in ihrer Recherche sehr wahrscheinlich mit dem Management zu telefonieren. 45% der Journalisten sagen, dass der Zugang zum Management für das Erstellen hochwertiger Einschätzungen sehr wichtig ist, weshalb ein starker Anreiz besteht, ein positives Arbeitsklima zu erhalten. Bei Veröffentlichung von Artikeln, die ein schlechtes Licht auf das jeweilige Unternehmen werfen, erfahren die Journalisten von dort häufig negative Reaktionen und können in der Folge sogar den Kontakt zum Management verlieren.

● Bankanalysten (Sell-Side) sind eine wichtige Informationsquelle für Finanzjournalisten, wobei diese vor allem erfahrene (im Gegensatz zu bekannten oder preisgekrönten) Analysten schätzen. 57% der Befragten sagen, dass sie bei ihren Recherchen sehr wahrscheinlich mit Analysten korrespondieren und deren Einschätzungen in ihre Artikel einfließen lassen. Dieser Anteil liegt für Artikel mit Bezug zur Veröffentlichung von Unternehmenszahlen sogar bei 75%. Dabei argumentieren die Forscher, dass Finanzjournalisten ihre Artikel nicht als Ersatz für die Einschätzungen von Analysten sehen, sondern als zusätzliche und ergänzende Ebene der Informationsvermittlung.

● Finanzjournalisten glauben, dass eine ihrer wichtigsten Aufgaben darin besteht, die Praktiken von Unternehmen zu überprüfen und diese gegebenenfalls auch zur Verantwortung zu ziehen. Entsprechend schätzen sie, dass ihre negativen Artikel einen stärkeren Einfluss haben (auch auf die jeweiligen Aktienkurse) und von mehr Lesern nachgefragt sowie in sozialen Medien stärker wahrgenommen werden. Dies schafft den Autoren zufolge einen Anreiz für Finanzjournalisten, die Rolle des Aufpassers einzunehmen, was die Unternehmenspolitik angeht.

● Es gibt starke Anreize für Journalisten, qualitativ hochwertige Artikel mit exklusivem Inhalt zu verfassen. 94% der Befragten sagen, dass eine hohe Genauigkeit ihrer Artikel eine wichtige Rolle in der Einschätzung der Qualität ihrer Arbeit spielt und 75% geben an, dass zeitnahe Veröffentlichung, inhaltliche Tiefe und Exklusivität des Inhalts wesentlich sind. Gleichzeitig besteht für 60% der Finanzjournalisten eine klare Präferenz für kontroverse Themen. Eine starke Persönlichkeit des Unternehmenschefs trägt für knapp die Hälfte der Befragten zu dessen sehr wahrscheinlichem Einbezug in den Artikel bei. Als für den Leser wesentliche Inhalte schätzen 84% der Journalisten das Thema unternehmerischen Betrugs ein, gefolgt von Insider Trading (69%) und einem Wechsel des Unternehmenschefs (58%).

 

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Finanzjournalisten darauf abzielen, eine akkurate, zeitnahe und gehaltvolle Berichterstattung zu liefern. Dabei fokussieren sie sich auf Themen, die ihrer Einschätzung nach auf ein entsprechendes Interesse der Leser stoßen. Abschließend weisen die Autoren darauf hin, dass Finanzjournalisten mit liberalem politischem Weltbild im Verhältnis von etwa 13:1 gegenüber jenen mit konservativem Weltbild überwiegen. Diese politische Schiefe charakterisiert sehr wahrscheinlich sowohl die Wirtschaftsnachrichten als auch die Berichterstattung über Unternehmen.

 

Fazit

Finanzjournalisten zielen auf akkurate, zeitnahe und gehaltvolle Berichterstattung ab und bevorzugen Themen mit besonderem Leserinteresse.

 

Quelle: Call, A. C. / Emett, S. A. / Maksymov, E. / Sharp, N. Y. (2018), Meet the Press, Survey Evidence on Financial Journalists as Information Intermediaries, Arizona State University & Texas A&M University

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