Finfluencer: Fluch oder Segen?

Influencer im Finanzbereich werden als „Finfluencer“ bezeichnet. Vor allem für jüngere Anleger, die digitale Kanäle bevorzugen, sind sie eine gefragte Informationsquelle. Der Studie „Gen Z and Investing“ zufolge informieren sie sich vor allem auf YouTube über Finanzen, gefolgt von der klassischen Internetsuche, Instagram und TikTok. [1]

Den Weg zum klassischen Anlageberater wählen dagegen nur wenige. Und das, obwohl vielen jungen Menschen eine formale Finanzbildung fehlt. Doch provisionsfreie Trading-Apps, die Coronazeit und der Hype um Meme-Aktien haben das Interesse für die Märkte geweckt.

 

Einfluss auf Anlageentscheidungen

Der Studie zufolge lernen 30 Prozent der Anleger der Generation Z vor allem von Finfluencern. Unter den bekanntesten Namen und Kanälen in Deutschland sind Thomas Kehl (Finanzfluss), Christian W. Röhl (Dividendenadel) und Saidi Sulilatu (Finanztip). Diese und andere seriöse Finfluencer informieren ihr Publikum gewissenhaft und bieten hochwertige Inhalte zu Themen, bei denen sie Experten sind. Dabei beeinflussen sie durch ihre Expertise und ihr persönliches Branding häufig auch die Anlageentscheidungen ihrer Follower.

 

Finfluencer häufige Märkte Themen
Die Grafik zeigt, wie häufig Finfluencer einzelne Anlagen thematisieren. Die Stichprobe umfasst die drei für Finanzinhalte wichtigsten Plattformen YouTube, Instagram und TikTok. Untersucht wurden Inhalte, die von Nutzern aus den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden stammen. Quelle: Espeute, S. / Preece, R. (2024), The Finfluencer Appeal: Investing in the Age of Social Media, CFA Institute

 

Manchen scheint aber nicht bewusst zu sein, dass bestimmte Aktivitäten unter die Regulierung fallen. Insbesondere dürfen Finfluencer keine konkreten Empfehlungen abgeben, da dies eine erlaubnispflichtige Anlageberatung wäre. Doch nicht alle halten sich an die Spielregeln, so die Studie „The Finfluencer Appeal“. [2] Demnach enthielten 32 Prozent der untersuchten Inhalte auch Empfehlungen. Und nur jeder fünfte Finfluencer legte gegenüber seinen Followern offen, ob damit eigene Interessen verfolgt werden.

 

Die Grauzone ist groß

Noch deutlicher sind die Ergebnisse einer Studie der niederländischen Aufsichtsbehörde AFM („The Pitfalls of Finfluencing“). [3] Darin wurden rund 150 Finfluencer mit durchschnittlich 11.000 Followern untersucht. 80 Prozent von ihnen gaben Tipps, darunter auch Empfehlungen, die sie gar nicht geben durften. Die Influencer verstießen damit sowohl gegen niederländisches als auch gegen EU-Recht. Bedenklich ist außerdem, dass riskante Produkte wie Kryptos und gehebelte Instrumente wie Turbos und CFDs genannt wurden. Dabei arbeiteten einige der Finfluencer auch mit Firmen, die keine Lizenz hatten. Es geht also nicht immer seriös zu.

Das Paper „How to Make $1 Million in Thirty Seconds or Less“ kritisiert die TikTok-Videos selbsternannter Experten. [4] Einige der Kurzbeiträge gaben demnach Tipps, wie man im Alter von 30 Jahren Millionär werden kann. Oder sogar mit 16 Jahren. Dabei ist zwischen der freien Meinungsäußerung und dem Anlegerschutz abzuwägen, was nicht einfach ist. Das Fazit der Forscher: Finfluencer sollten schon deshalb reguliert werden, weil die ganze Finanzindustrie stark reguliert ist.

Ein weiteres Problem: Social-Media-Nutzer neigen dazu, inkompetenten Finfluencern zu folgen. Aus der Studie „Finfluencers“ geht hervor, dass sie ganze 56 Prozent ausmachen. [5] Wirklich kompetent sind dagegen nur 28 Prozent. Die inkompetenten Finfluencer leiden wie die meisten Anleger unter schädlichen Verhaltenseffekten, indem sie Kurstrends nachlaufen oder sich von der Marktstimmung vereinnahmen lassen. Aus Renditesicht wäre es besser, entgegengesetzt zu deren Tipps zu handeln.

 

Fazit

Es erscheint geradezu fahrlässig, dass jeder, der sich befähigt fühlt, als Finfluencer agieren kann.

 

Hinweis: Eine frühere Version dieses Artikels erschien in Anleger Plus.

 

Quellen:

[1] Gen Z and Investing: Social Media, Crypto, FOMO, and Family, CFA Institute (Mai 2023)

[2] Espeute, S. / Preece, R. (2024), The Finfluencer Appeal: Investing in the Age of Social Media, CFA Institute

[3] The Pitfalls of Finfluencing, AFM (2021)

[4] Manfredo, T. (2022), How to Make $1 Million in Thirty Seconds or Less: The Need for Regulations on Finfluencers, Louisiana Law Review

[5] Kakhbod, A. / Kazempour, S. M. / Livdan, D. / Schuerhoff, N. (2023), Finfluencers, Swiss Finance Institute

2 thoughts on “Finfluencer: Fluch oder Segen?”

  1. ZumTeil finde ich die geübte Kritik ja berechtigt.
    Viel zu viele Finfluencer haben einfach unterm Strich gar nichts auf dem Kasten und kaufen nur blind, was gerade steigt, ohne tiefgehendes Research zu betreiben. Das könnte man ja noch unter „nicht besser gewusst“ einordnen.

    Aber dann gibt es auch die, die einfach nur die Leute direkt betrügen.
    „Werde schnell reich“, „Verdiene 5.000 € pro Tag“, „investiere in den neuesten Meme-Coin“
    Meistens gepaart mit irgendwelchen Bildern von Goldketten, Rolexuhren, Business-Class-Flügen, teuren Hotels etc.
    Und dann schaut man sich den Typ an: Gefühlte 13 Jahre, Milchbubi, drei Barthaare, maximale Intransparenz.

    Das traurige daran ist, dass die Leute gerade solchen Typen die Bude einrennen…

    Wobei ich da nicht auf mehr Regulierung pochen würde, sondern endlich mal an die eigene Selbstverantwortung. Was zu schön ist, um wahr zu sein, ist es dann auch nicht.

    Zum Thema zertifizierte Anlageberater bleibt mir nur zu sagen, dass das ebenfalls nicht die Lösung ist. Dort werden dann reihenweise aktive Fonds mit horrenden Gebühren an den Mann gedreht. Das mag zwar besser sein, als das Sparbuch, aber eine gute Anlage ist das bei weitem nicht.

    Von daher: einfach mal selbst das Hirn einschalten, mehr den Leuten glauben, die transparent ihren eigenen Weg aufzeigen und das auch belegen. Die Blender als solche erkennen und links liegen lassen. Dann auch mal in die eigene Geldanlage zumindest einen Bruchteil der Zeit stecken, die man sonst für die Auswahl des nächsten Fernsehers oder Smartphones aufwendet.

    Dann klappt das auch, und noch dazu wesentlich besser als mit irgendwelchen Anlageberatern von Hausbanken,

    Liebe Grüße von so einem Finfluencer,
    DerFinanznomade

    1. Stimme dir zu! Viele Leute, die sich zum ersten Mal mit der Börse befassen, lassen sich leicht beeinflussen und fallen auf Sachen rein, die jemandem mit etwas Erfahrung sofort unseriös erscheinen würden. Das wird wohl schon immer so gewesen sein. Deshalb denke ich, dass man ohne Erfahrung mit einer Honorarberatung am besten fährt (also gegen Bezahlung, nicht provisionsbasiert, das ist wichtig). Dazu rate ich jedenfalls Freunden und Bekannten, die mich fragen, wie sie ihr Geld am besten investieren sollen. Ich denke also nicht, dass es für jeden die beste Lösung ist, sein Geld auf eigene Faust zu investieren.

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