Warum nachhaltige Investments einen Renditenachteil haben (müssen)

Es gibt einige Studien, die nachhaltigen Investments eine Überrendite attestieren. Dazu habe ich bereits Recherchen durchgeführt und einen Artikel darüber geschrieben, um die mehrheitlich positiven Ergebnisse zusammenzufassen. Allerdings sind dies empirische Erkenntnisse, die auf bestimmten Zeiträumen und Annahmen basieren. Theoretisch ist daher wie auch bei anderen Kapitalmarkteffekten nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse (unbewusst) „schöngerechnet“ sind.

Aus Sicht der Kapitalmarkt-Logik hat die Sache einen klaren Haken: Wenn wir uns die blanke Theorie anschauen, sollten nachhaltige Investments keine Überrendite ermöglichen – ganz im Gegenteil. Wie sich das erklären lässt und warum genau das gleichzeitig den Nutzen nachhaltiger Investments begründet, zeigte der Gründer von AQR Capital, Cliff Asness, vor kurzem in einem bemerkenswerten Artikel, dessen Kernargumentation ich hier kurz zusammenfassen möchte.

Zunächst definieren wir nachhaltiges Investieren. Der Mainstream-Begriff hierzu ist ESG, was als Abkürzung für Environment, Social and Goverance (Umwelt-, Sozial- und Unternehmenspolitik) steht. Hier werden bestimmte Unternehmen, die einzelne ESG-Kriterien nicht oder nicht ausreichend erfüllen, vom investierbaren Universum ausgeschlossen. Dieses Screening-Out wird mitunter als Begründung dafür angeführt, dass ESG nicht nur eine ethisch gute Sache ist, sondern auch bessere Renditen als unter Einbezug der „schlechten“ Unternehmen ermöglicht.

 

One Man’s Discount Rate Is Another Man’s Expected Return

Asness wiederspricht hier deutlich. Er bezeichnet diese These als Verkaufstaktik der ESG-Manager einerseits, die ethisch motivierten Anlegern andererseits als gern geglaubte Geschichte dient, um entsprechende Investments zu tätigen. Gutes tun und dafür überdurchschnittlich belohnt werden – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Denn das, was man durch Screening Out einzelner Aktien tatsächlich erreicht, ist eine niedrigere zu erwartende Rendite. Der Effekt mag klein sein, wenn es am Markt nur einen geringen Anteil „schlechter“ Unternehmen gibt, aber er lässt sich kaum wegdiskutieren.

Zunächst führt Asness zur Begründung den gesunden Menschenverstand an: Wie kann eine Einschränkung der Anlagemöglichkeiten im Vorhinein dazu führen, dass man ein systematisch besseres Ergebnis erzielt? Wenn wir von der Zielsetzung ausgehen, die Rendite für ein bestimmtes Risiko zu maximieren, kann man mit einer Einschränkung (!) der Möglichkeiten im allerbesten Fall genauso gut abschneiden wie ohne jegliche Restriktionen. Deutlich wahrscheinlicher ist dagegen, dass bei gleichem Risiko eine niedrigere erwartete Rendite resultiert. Und das bedeutet gleichzeitig, dass Anleger, die auch die „schlechten“ Aktien einbeziehen, höhere Renditen erwarten können.

Für alle, die das nicht glauben (möchten), geht Asness weiter ins Detail. Egal, was einzelne Anleger tun oder nicht tun, der Markt muss sich als Ganzes bereinigen. Jede Aktie muss von jemandem gehalten werden. Wenn nun einige Akteure entscheiden, keine „schlechten“ Aktien mehr zu besitzen, dann müssen diese von den übrigen Anlegern gehalten werden. Um nun aber einen Anreiz zu bieten, dies zu tun, müssen diese Titel eine höhere Rendite versprechen – unter sonst gleichen Bedingungen müssen die Kurse also günstiger sein. Dies ist gleichzeitig die Quelle für höhere Renditen.

Wo kommt nun aber der positive Wandel her, den nachhaltige Anleger anstreben? Asness zeigt dies anhand typischer Investitionsprojekte. Die höheren zu erwartenden Renditen der „schlechten“ Aktien sind gleichzeitig der Abzinsungsfaktor beziehungsweise die Kapitalkosten, mit dem solche Projekte (theoretisch) kalkuliert werden. Zwar ist die Welt deutlich komplexer und Investitionsprozesse sind vielschichtig, aber im großen Ganzen kann man diesen Zusammenhang unterstellen. Unter der Annahme, dass die Projekte nach wie vor die gleichen Cashflows erzeugen, resultiert dies in einer höheren Anzahl kalkulatorisch nicht profitabler Projekte, und es sollten entsprechend weniger davon umgesetzt werden. Das wäre genau der positive Wandel, den nachhaltiges Investieren anstrebt – entstanden durch eine Verschiebung der Kapitalkosten.

Dieser Zusammenhang erklärt auch Studien, die Überrenditen bei „Sünden-Aktien“ nachgewiesen haben. Doch natürlich ist auch dies keine ausgemachte Sache. Denn wer vor der Zunahme der ESG-Investments in diesen Sünden-Aktien investiert war, erfährt unter sonst gleichen Bedingungen – wie soeben erläutert – genau den gegenteiligen Effekt: Kursverluste. Bestehende Investments werden also durch die Zunahme des ESG-Trends tatsächlich schlechter gestellt. Was aber attraktiver wird, sind die für die Zukunft erwartenten Renditen. Und genau hier müssen nachhaltige Anleger ganz offensichtlich (bewusste) Abstriche machen, um auf Dauer wirklich einen positiven, nachhaltigen Wandel zu ermöglichen.

Die entscheidende Frage ist also: Sind nachhaltige Investoren dazu bereits, mit (etwas) niedrigeren Renditen zu leben? Oder war das Thema Nachhaltigkeit nur ein Vorwand, die eigenen Renditen zu optimieren – ganz im Glauben an die Story von der Überrendite?

 

Fazit

Eine pauschale Eingrenzung des Aktienuniversums führt zu suboptimalen Portfolios mit systematischem Renditenachteil.

 

Quelle: Asness, C. (2017), Virtue is its Own Reward: Or, One Man’s Ceiling is Another Man’s Floor, AQR Capital

2 thoughts on “Warum nachhaltige Investments einen Renditenachteil haben (müssen)”

  1. Ein nachhaltiger Anleger hat als Ziel sicher keine Überrendite, sondern möchte mit einem guten Gewissen anlegen.
    Ich habe mal die Entwicklung des Dax mit dem Dax Ethik 30-Index verglichen: der Dax Ethik 30 enthält 16 Dax-Titel und schneidet langfristig gleich ab wie der gesamte Dax selber. Wer also Dax-Performance mit einem gewissen ethischen Anspruch erzielen will ist dort gut aufgehoben.
    Allerdings frage ich mich, welche Kriterien beim Dax Ethik 30 tatsächlich zugrunde liegen.
    Eine Daimler hat meines Erachtens in einem Ethik-Index nichts verloren.

    Gruß, MM

    1. Das wäre ja ideal, wenn es dem nachhaltigen Anleger wirkich um seinen Impact geht. Ich denke manchmal, dass es nur ein Vorwand ist… Beim DAX ist die Stichprobe vielleicht zu klein, der Effekt zeigt sich erst über lange Zeit und ein großes Aktienuniversum. Kurzfristig kann immer alles passieren 😉

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