Hochkarätige Vorträge am laufenden Band

Am 4. und 5. Juni fand in Frankfurt die vom Uhlenbruch Verlag organisierte Jahrestagung Portfoliomanagement statt. Bereits zum 22. Mal trafen sich institutionelle Anleger zu diesem hochkarätigen Event, um spannende Einblicke namhafter Referenten zu bekommen und sich gegenseitig auszutauschen. Dabei blickt die Jahrestagung auf eine lange Tradition zurück, ein hohes Niveau an fachlicher Tiefe zu bieten und gleichzeitig eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen. Ich war am 4. Juni vor Ort und fasse an dieser Stelle die wichtigsten Themen und Eindrücke zusammen.

 

Jahrestagung Portfoliomanagement Konferenz Börsenzyklus Geopolitik

 

Der Euro – eine stabile Währung für die Zukunft?

Gleich am Morgen betrat nach den einführenden Worten der Moderaten der erste namhafte Referent die Bühne: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing vom Center for Financial Studies in Frankfurt (Foto oben). Vielen Menschen ist er vor allem aus seiner Tätigkeit als ehemaliger Chefvolkswirt und ehemaliges Direktoriumsmitglied der EZB bekannt, wo er vor rund 20 Jahren maßgeblich am Entwurf der geldpolitischen Strategie beteiligt war. Entsprechend fiel auch das Thema seines Vortrages aus: Kann der Euro eine stabile Währung für die Zukunft sein? Dabei stellte er zu keinem Zeitpunkt infrage, dass der Euro weiterhin existieren wird, da das politische Investment so gewaltig sei, dass man sich ein Verschwinden der Gemeinschaftswährung nicht vorstellen könne. Wie stabil sich das Ganze entwickle, stehe aber auf einem anderen Blatt.

Im Vortrag ging es zunächst um die positiven Aspekte, zu denen Otmar Issing die Popularität des Euro bei der Mehrheit der Menschen – inzwischen selbst in Italien – zählt. Denn immerhin hätten einige Länder mit ihren nationalen Währungen zuvor weitaus schlechtere Erfahrungen gemacht. Rückblickend interessant ist auch seine Aussage, dass die Euro-Einführung im Jahr 1999 ein voller Erfolg war und keinerlei Turbulenzen auslöste. Dass die Eurozone der Theorie nach keineswegs einen optimalen Währungsraum darstellt, da die Mitgliedsstaaten anfangs viel zu heterogen waren, gab er offen zu. Man hatte damals gehofft, dass es mit der Zeit eine zunehmende Annäherung geben würde, die dann aber nur zum Teil erreicht wurde. Ein Problem sei es, dass die nationalen Regierungen ihre Bevölkerung davon überzeugen müssten, dass in Krisenzeiten, wenn die EZB durch ihre lockere Geldpolitik „Zeit kauft“, auch entsprechende Reformen notwendig sind – was manchmal gut klappte (Irland), aber in anderen Fällen leider nicht (Griechenland, Italien). Zwar verwies er darauf, dass es auch in den USA damals mehr als 100 Jahre gedauert hätte, bis man alle Bundesstaaten halbwegs koordiniert unter eine Decke brachte, doch würden die heute viel schnelleren und ungeduldigeren Märkten ganz andere Rahmenbedingungen aufweisen, wodurch stärkerer Anpassungsdruck auf die einzelnen Länder ausgeübt wird. Neben Herausforderungen wie der großen Divergenz in der Verschuldung der einzelnen Länder sieht Issing auch emotionale Themen beispielsweise in Tschechien oder Polen, die sich nicht von Brüssel „unterjochen“ lassen möchten, wie sie es in früher mit Russland in Verbindung brachten. Da auf absehbare Zeit die demokratische Legitimierung für eine politische Union fehle, müsse weiterhin der Einfluss des europäischen Parlaments begrenzt bleiben. Denn die entsprechenden EU-Entscheidungen seien von Politikern auf Länderebene umzusetzen, die dafür den „Kopf hinhalten müssten“. Interessant war auch sein Statement, dass Italien unbedingt von Anfang an dabei sein wollte, aber jetzt dort geschimpft wird, die Deutschen hätten ihnen den Euro aufgedrängt. Auf die Frage aus dem Publikum, was er von der Modern Monetary Theory (MMT) halte, antwortete Otmar Issing klar und deutlich, was die Umsetzbarkeit eines solchen Konzepts angeht: „Das widerspricht allen politischen Erfahrungen.“

 

Streitgespräch: Value vs. Growth

Ein weiterer spannender Block war das Panel mit drei ausgewiesenen Experten zum Thema Value versus Growth Investments, das sich auch auf andere Themen ausweitete. Die Standpunkte der Experten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

● Dr. Jens Erhardt (DJE): Antizyklisch zu investieren ist prinzipiell sinnvoll, aber man muss aufpassen, nicht zu früh dran zu sein. Es bleibt abzuwarten, wann Value wirklich wieder über Growth dominiert. Anders als im Jahr 2000 ist es heute auch nicht so, dass Growth offensichtlich überteuert ist, da diesmal vor allem die wirklich etablierten Unternehmen hoch bewertet sind. Der grundsätzliche Konsens in den USA, dass China „gebremst“ werden muss, könnte auf Jahre hin ein Bremsklotz für die Wirtschaft sein und sollte nicht unterschätzt werden, da fast alle große Unternehmen in ihren Lieferketten auf internationale Handelsbeziehungen angewiesen sind und vielleicht bald nicht mehr so agieren können wie heute. Was die Märkte angeht, bleibt abzuwarten, ob die zuletzt erwarteten Zinssenkungen in den USA wirklich kommen. Eine neue Hausse wäre wohl erst bei Start des nächsten Quantitative-Easing-Programms zu erwarten. Es ist durchaus denkbar, dass sich Europa positiv von den USA abkoppeln kann, gerade bei der großen Zinsdifferenz zwischen Anleihen- und Aktienrenditen. Es gibt in Europa zudem eine sehr große Auswahl an Aktien, sodass Research hier noch Mehrwert bringt und gute Chance/Risiko-Verhältnisse auszumachen sind. Interessant sind vor allem Versorgeraktien, US-Midcaps und asiatische Werte.

● Henning Gebhardt (Berenberg): Ein entscheidender Punkt ist die Investitionszurückhaltung, weshalb sich in der wirtschaftlichen Entwicklung keine richtige Dynamik zeigt. Gefährlich werden kann vor allem ein bestimmtes, zunehmend großes Segment an Unternehmensanleihen mit dem Rating BBB, das gerade noch kurz vor der Abwertung auf Ramschniveau steht. Wenn es hier zu einer großen Bereinigung kommt, kann sich das auch deutlich negativ auf die Aktienkurse auswirken. Interessant für Investments sind vor allem strukturelle Trends wie zum Beispiel die Überalterung der Gesellschaft und spezielle Regionen und Länder wie etwa Indien. Als persönlichen Tipp zur „Anlage für 20 Jahre“ hält Henning Gebhardt die BASF-Aktie für interessant.

● Thomas Meier (MainFirst): Langfristig ist die Globalisierung nicht aufzuhalten. Außerdem möchte auch Trump wiedergewählt werden und deshalb wohl keine Rezession riskieren. Und auch Chinas Präsident Xi hat kein Interesse daran, die Wirtschaft zu crashen. Dass die USA gegenüber China etwas Kontra geben, ist vielleicht gar nicht so schlecht. Was die Bewertungsdifferenz zwischen Europa und den USA angeht, ist aber wohl nicht damit zu rechnen, dass sich diese wieder vollständig angleicht. Es gibt in den USA einfach mehr gute Wachstumsunternehmen mit hohen Gewinnmargen, die entsprechend auch höhere Bewertungen rechtfertigen. Interessant sind vor allem die inzwischen günstiger bewerteten Industriewerte sowie europäische Aktien aus der zweiten Reihe. Als persönlichen Tipp zur „Anlage für 20 Jahre“ hält Thomas Meier die Sixt-Aktie für interessant.

 

Investmentlegende Howard Marks

Besonders hoch waren die Erwartungen an Howard Marks von Oaktree Capital, der einen Vortrag zum Thema Marktzyklen hielt. Selbst Warren Buffett liest seine Memos, die übrigens jeder kostenlos auf der Website von Oaktree abonnieren kann.

Marks stieg mit der Aussage in seinen Vortrag ein, dass es extrem schwierig sei, den Markt wirklich zu timen, da sehr selten Situationen vorherrschen, in denen die Marktbewegungen so extrem sind, dass eine sehr hohe Erfolgswahrscheinlichkeit sowie eine schlüssige Logik vorliegen. Grobe, zyklische Positionsanpassungen seien aber durchaus machbar. Dazu müsse man einen Zyklus als Kreislauf betrachten, in dem ein Ereignis A ein Ereignis B verursacht. Daraus folgt, dass der Zyklus nicht einfach aus Aufwärts- und Abwärtsbewegungen besteht, sondern aus dem Wechsel von Übertreibungen und Korrekturen. Als entscheidenden Grund für diese Struktur nannte Howard Marks, dass Menschen in die zugrundeliegenden Anlageentscheidungen involviert sind, die nicht immer rational, sondern mitunter auch sehr emotional agieren. Das führe dazu, dass die Volatilität der Kurse viel höher ist als die Volatilität der Gewinnentwicklung der Unternehmen, welche im Übrigen auch bereits deutlich volatiler als die Entwicklung des Wirtschaftswachstums ausfällt. Gegen Ende von Bullenmärkten lassen sich zum Beispiel Exzesse beobachten, die durch eine hohe Verfügbarkeit von Kapital relativ zu den verbliebenen attraktiven Anlagechancen, eine geringe Risikoaversion der Anleger und einen hohen Optimismus am Markt geprägt sind. Eine der entscheidenden Fragen in der Analyse muss deshalb lauten: „Wie viel Optimismus ist bereits eingepreist?“ Denn ein Hoch in den Kursen geht mit einem Hoch in der Anlegerpsychologie einher, was entsprechend hohes Risiko bedeutet. Das lässt sich auch daran erkennen, dass Anleger viel mehr Angst davor haben, etwas zu verpassen, als Angst davor, Geld zu verlieren. An den Tiefs eines Bärenmarktes ist es genau umgekehrt. Durch Analyse dieser beiden Ängste am Markt lässt sich also viel über das wahre Risiko herausfinden.

Auf die Frage, wo wir uns im aktuellen Zyklus befinden, nannte Marks die „Spätphase“ mit Verweis auf die Timing-Problematik – niemand könne wissen, wie weit eine Übertreibung läuft, denn gerade durch die Übertreibung definiert sich schließlich das Hoch des Marktes.

 

Ist Momentum tot?

Im Anschluss an Howard Marks hielt Dr. Thomas Zimmerer von Allianz Global Investors einen Vortrag zum Thema Momentum (definiert als Trendfolgestrategie, also Time Series Momentum). Seiner Einschätzung nach ist Momentum keineswegs „tot“, sondern langfristig eher „kaum totzukriegen“. Die zuletzt durchaus schlechte Phase dieser Anlagestrategie sei also voraussichtlich (wieder mal) nur ein temporärer Zustand und müsse mit Disziplin durchgehalten werden, indem man den Investmentprozess in den schwierigen trendlosen Phasen nicht infrage stellt. Gleichzeitig betonte er, dass es sich bei Momentum eben um einen Risikofaktor handle und nicht um ein „Free Lunch“, sodass man auch einen entsprechend langen Anlagehorizont von im Idealfall mindestens zehn Jahren mitbringen sollte, um die Prämie auch wirklich verlässlich verdienen zu können.

Was die Stärke von Trends angeht, so zeigten seine Untersuchungen, dass sich normale Trends tendenziell fortsetzen, während sich exzessive Trends eher umkehren. Dies ermögliche es, im Trading bei zu hoher Trenddynamik die Positionsgrößen zu reduzieren und so einen Mehrwert zu erzielen. Ein weiterer Vorteil sei die parallele Anwendung auf die Anlageklassen Aktien, Renten, Rohstoffe und Währungen, da die Momentum-Alphas hier vergleichsweise gering gegenseitig korreliert seien und zudem der gesamte Multi-Asset-Ansatz wiederum gering mit dem Aktienmarktrisiko korreliere. Realistisch sei insgesamt eine Rendite von sieben Prozent pro Jahr bei einer Volatilität der Renditen von zehn Prozent, so Zimmerer. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass durch die zunehmende Bekanntheit und Anwendung von Momentum-Strategien das Renditepotenzial in Zukunft abnimmt.

 

Geopolitik aus CIA-Sicht

Die letzten beiden Vorträge des Tages befassten sich überwiegend mit geopolitischen Themen. Als erstes wartete der Ex-CIA-Mitarbeiter David Bridges mit einigen spannenden Geschichten und Erfahrungen aus seiner früheren Zeit beim US-Auslandsgeheimdienst auf. Er wies darauf hin, dass die Menschen – egal wo auf der Welt – letztlich sehr ähnliche Grundbedürfnisse haben und nach einer besseren Zukunft, einem Rechtsstaat, einem sicheren Job und dem Zugang zu funktionierender Gesundheitsversorgung streben. Dies sorge für stabilisierende Tendenzen der Mehrheit der Bevölkerung, wodurch die Welt trotz allem Chaos nach wie vor am Laufen gehalten werde. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die großen und wichtigen Institutionen heute untereinander stark vernetzt und gegenseitig voneinander abhängig seien, was sie aber gleichzeitig auch brüchig machen kann. Aus demografischer Sicht sieht Bridges starken Stress auf die bevölkerungsreichsten Länder Indien, China und Nigeria zukommen. Vor allem in Afrika bestehe das Problem des starken Bevölkerungswachstums bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Unterentwicklung und hohen Korruptionsraten, weshalb dort wohl keine funktionierenden Strukturen aufgebaut werden können. Deshalb würden auch Aufbau- und Hilfsprogramme für die Wirtschaft nichts bringen, da das meiste an falscher Stelle versickere. Die Folge sei ein riesiges Problem (illegaler) Immigration vor allem in die EU über die kommenden Jahrzehnte.

Eine weitere Herausforderung sieht Bridges in der Selbstzufriedenheit in den USA, aber auch anderer Industrieländern, die schon eine sehr lange, friedliche Zeit ohne große Kriege durchlebten. Hier könnten auch mal wieder chaotischere Zeiten ins Haus stehen. Spannend war auch seine These, dass der Handelskrieg für China eine existenzielle Frage für die kommunistische Partei bedeute, da man schließlich gesehen habe, was mit früheren kommunistischen Regimes passierte. Die USA wiederum möchte durch den wirtschaftlichen Druck erreichen, dass China sich stärker auf die Innenpolitik und die Sicherung der Macht im Land fokussieren muss.

Als gefährlich beurteilte David Bridges die Irankrise, in der die USA mit Sanktionen starken Druck machen. Solche Länder seien aber unberechenbar, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stünden. Konkret rechnet Bridges damit, dass künftig vor allem Cyberattacken aus dem Iran zu erwarten seien. Ebenso seien weiterhin Terroranschläge zu befürchten. Denn der Islamische Staat sei keineswegs am Ende, sondern nach wie vor die reichste Terrororganisation aller Zeiten, da die umfangreichen finanziellen Mittel der verschiedenen Unterstützer vor dem Niedergang schon längst beiseite geschafft worden seien.

 

Geopolitik aus Research-Sicht

Die letzte Präsentation des ersten Konferenztages hielt Matt Gerken, der eine exzellente Analyse der geopolitischen Risiken des aus seiner Sicht vorherrschenden Spätzyklus des Bullenmarktes ablieferte. Er fasste die entscheidenden Punkte für die weitere Entwicklung wie folgt zusammen:

● Zwei entscheidende Fragen sind: 1) Wie viel Geld wird China in die Hand nehmen, um die eigene Wirtschaft zu stimulieren? 2) Wie werden sich die Ölpreise angesichts der Krisen im Iran und in Venezuela entwickeln?

● Die politischen Risiken in Europa werden überschätzt. Man sollte eher die Chancen sehen, die sich etwa in der zunehmenden Akzeptanz des Euro in der Bevölkerung und der steigenden wirtschaftlichen Integration zeigen. Das Hauptrisiko für Europa ist eine mögliche Rezession. Aber auch ein Zollstreit mit den USA wäre denkbar, falls Trump eine (zwischenzeitliche) Einigung mit China trifft.

● Wird sich Trump weiterhin risikofreudig verhalten und damit eine Rezession riskieren oder lieber zurückrudern, um seine Wiederwahl im Jahr 2020 zu sichern? Im Falle einer Wiederwahl ist zu bedenken, dass er in der zweiten Amtszeit keine Restriktionen mehr hat: Mit anderen Worten, er muss dann nicht mehr auf den Aktienmarkt oder die Wirtschaft Rücksicht nehmen, da keine weitere Amtszeit möglich ist.

● Chancen bestehen vor allem in Indien, mögliche Black-Swan-Risiken in Russland (würde von einem Krieg des Iran mit den USA profitieren) sowie Taiwan (Spielball der USA um Einfluss auf China).

 

Fazit

Die Jahrestagung Portfoliomanagement ist wohl das hochkarätigste Event im deutschsprachigen Raum. Das zeigt bereits die Tatsache, dass ich in diesem Artikel nur die spannendsten Inhalte des ersten von zwei Konferenztagen zusammengefasst habe. Insgesamt ließ sich ein grober Konsens dahingehend feststellen, dass wir uns in der Spätphase des Börsenzyklus befinden, verschiedene geopolitische Risiken das Geschehen dominieren und sich die Aussichten für Investments in Europa verbessert haben.

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