Konferenz: Pensionen zukunftsfähig machen

Vom 19. bis 23. Oktober fand der diesjährige WorldPensionSummit statt. Es war die elfte Konferenz des Veranstalters Pensions & Investments und die erste im Online-Format. Das Leitthema: „Pensionen zukunftsfähig zu machen: Ein neuer Ansatz für eine neue Dekade“. Dieser Artikel fasst die Themen und Inhalte der fünf Konferenztage zusammen.

 

1. Tag: Neue Ideen für eine neue Dekade

Eröffnet wurde die Konferenz von Chris Battaglia, Nikki Pirrello und Elizabeth Pfeuti, die aus New York, London und Den Haag zugeschaltet waren und auch später in der virtuellen Lobby durch das Event führten.

 

virtuelle Lobby World Pension Summit
Die virtuelle Lobby. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

Die erste Panel-Diskussion drehte sich darum, wie langfristige Strategien kurzfristige Turbulenzen überstehen können. Die drei Teilnehmer waren Magnus Billing (Alecta), Mark Fawcett (NEST) und Rohaya Mohammad Yusof (Employee Provident Fund Malaysia). Als größte Herausforderungen nannten die Experten den Klimawandel, der einen Point of No Return erreichen könnte, die zunehmende Ungleichverteilung des Vermögens und damit verbundene politische und soziale Risiken, die Suche nach auskömmlichen Renditen und die demografische Entwicklung. Was die Fähigkeit angeht, Krisen zu meistern, wurde ein Mix aus drei Dingen herausgearbeitet: Die disziplinierte Umsetzung langfristig stimmiger, diversifizierter Strategien, solides Risikomanagement sowie die Flexibilität, bestehende Annahmen und Rahmenbedingungen zu hinterfragen und aus der Geschichte zu lernen. Fawcett bezeichnete Teile der fossilen Brennstoffindustrie als „Stranded Assets“. Billing sprach beim Klimawandel nicht nur von Bedrohung, sondern auch von Anlagechancen. Und Yusof sah die USA trotz aller Unkenrufe von zentraler Bedeutung und die Stellung des US-Dollars keineswegs gefährdet.

In der anschließenden Präsentation stellte Rolf Strauch einige interessante Punkte rund um die Geopolitik der europäischen Finanzmärkte vor. Seiner Einschätzung nach sollte Europa sich nicht abschotten, sondern strategisch auf bestimmte Handelspartner und Bereiche der Globalisierung fokussieren. Großes Potenzial sieht er vor allem bei der angepeilten Banken- und Kapitalmarktunion. Zur aktuellen Situation wies Strauch darauf hin, dass sich die Wirtschaft von Corona erholt, aber eine Lücke von zwei bis vier Prozent bleibt. Auch seien die Investitionen deutlich niedriger, was sich auf das künftige Wachstumspotenzial auswirke. Ein weiteres Problem bestehe darin, dass Pensionsfonds zunehmend höhere Risiken eingehen müssten, um überhaupt noch auskömmliche Renditen zu erzielen.

 

Panel Rolf Strauch World Pension Summit
Panel mit Rolf Strauch. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

In der zweiten Panel-Diskussion sprachen Richard Tomlinson (Local Pensions), Brian Hellmer (State of Wisconsin Investment Board) und Elias Masilela (DNA Economics) über Anlageideen unter den neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Tomlinson zeigte sich zuversichtlich, dass wir früher oder später zur Normalsituation zurückkehren und es bei Investmentstrategien deshalb vor allem um den Zeithorizont geht. Hellmer sprach davon, dass sich kurzfristig taktische Gelegenheiten bieten, während langfristig nicht sicher sei, ob die Wirtschaft wirklich ohne strukturelle Schäden schnell auf das alte Niveau zurückkehren könne. Er stellte vor allem die Rolle von Staatsanleihen infrage, die keine Rendite mehr bringen, sondern nur noch Diversifikation ermöglichen. Masilela wies darauf hin, dass es darauf ankomme, die zunehmende Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft sowie zwischen den Ländern zu reduzieren. Der Staat müsse dazu vor allem die richtigen Rahmenbedingungen setzen, statt zu versuchen, alle Probleme selbst zu lösen.

 

2. Tag: Der Grüne Wiederaufbau

Das Thema Nachhaltigkeit bestimmte den zweiten Konferenztag. In der ersten Panel-Diskussion ging es speziell um die Fortschritte in Großbritannien. Lord Grimstone (UK Government) wies darauf hin, dass das Land in den Bestrebungen zur Dekarbonisierung im internationalen Vergleich vorn mitspielt und sich auch weiterhin zum Ziel setze, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Simon Sweetinburgh (Department for International Trade) stellte das innovative Smart-Campus-Projekt Gravity vor, dass aktuell im Südwesten Englands entsteht und Unternehmen einen nachhaltigen Standortvorteil ermöglichen soll. Warum überhaupt in Großbritannien investiert werden sollte, erklärte Simon Banham (British Embassy). Das Land biete attraktive Bedingungen für Unternehmen wie gut ausgebildetes Personal, einen starken Fokus auf Innovation und eine günstige Steuergesetzgebung. Simon Devenport (RWE Renewables) präsentierte seine Einschätzung zum erklärten Ziel, bis zum Jahr 2050 eine auf Nettobasis emissionsfreie Wirtschaft aufzubauen. Dies bedürfe erheblicher Transformation bestehender Strukturen, was große, politisch unterstützte Investmentchancen ermögliche wie aktuell bei Offshore-Windkraftanlagen zu beobachten.

 

kleine technische Pannen World Pension Summit
Es gab nur kleine technische Pannen. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

In der zweiten Veranstaltung sprachen Dr. Ben Caldecott (UN Klimakonferenz) und Sir Roger Gifford (Green Finance Institute) über den Fortschritt der Finanzindustrie in Sachen Klima. Caldecott nannte unzureichende Verpflichtungen auf der Klimakonferenz vor fünf Jahren, weshalb in Glasgow im kommenden Jahr das „Paris Rulebook“ finalisiert und möglichst ein rechtlich verbindlicher Rahmen geschaffen werden müsse. Statt eines weiteren großen Gipfels mit bloßen Versprechungen soll es um transparente, messbare und verpflichtende Zusagen gehen. Dabei sei für den notwendigen Erfolg sowohl der öffentliche als auch der private Sektor gefragt. Gifford blickte positiver auf die Situation und sprach von einem recht hohen Tempo der bisherigen Entwicklungen. Momentan gehe es darum, das Project Gap zu schließen, also genügend investierbare Projekte für die Billionen an verfügbarem Kapital zu schaffen. Es handle sich um eine Technologie-Story, bei der Unternehmen künftig davon profitieren könnten, neue günstige Lösungen zu entwickeln. Gifford ergänzte, dass neben dem Klimawandel der Verlust der Biodiversität ein mindestens ebenso dringendes Problem darstellt, das unbedingt angegangen werden muss.

Die letzte Diskussion drehte sich um das Thema Divestment. David Hickey (Lothian Pension Fund) bezeichnete das bloße Divestment als eine Art moralisches Greenwashing, das eher dem guten Gewissen oder den Marketing-Aktivitäten diene. Tatsächlich entscheidend sei nicht der Sekundärmarkt, sondern der Primärmarkt mit neuen Finanzierungen. Allerdings dürften grüne Investments allein nicht oberstes Ziel eines Pensionsfonds sein – in erster Linie gehe es immer noch darum, den finanziellen Verpflichtungen rechtzeitig und vollständig nachzukommen. Die übrigen Panel-Teilnehmer, Kirsty Jenkinson (CalSTRS) und Terry Heymann (World Gold Council) stimmten zu. Jenkinson sprach davon, dass es trotz aller Unsicherheiten in einzelnen US-Staaten wie Kalifornien klare Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit gebe. Um das zu forcieren, müssten Investoren langfristig denken und sich aktiv engagieren (Stewardship). Hickey ergänzte, dass Allianzen der Asset-Besitzer hier in Zukunft einen echten Game Changer darstellen könnten.

 

3. Tag: Innovation

Den Auftakt des dritten Tages machte Nobelpreisträger Robert Merton (MIT, Harvard University). Er stellte verschiedene Komponenten vor, die es gemeinsam ermöglichen, einen integrierten Ansatz zur Pensionsfinanzierung zu entwickeln. Dazu gehören sowohl als sicherer wahrgenommene Defined-Benefit- als auch moderne Defined-Contribution-Pläne, aber auch die Absicherung nicht versorgter Menschen sowie die Erweiterung der persönlichen Möglichkeiten zur Altersvorsorge. Zudem könnten Strukturen geschaffen werden, um Pensionen in ein breites Lebenszyklusmodell zu integrieren und längeres Arbeiten unter angemessenen Bedingungen zu ermöglichen. Wichtig sei Merton zufolge vor allem, ein gewisses reales Einkommen zu sichern, statt sich nur auf die Höhe des absolut verfügbaren Vermögens zu fokussieren.

 

Präsentation Nobelpreisträger Robert Merton World Pension Summit
Präsentation von Nobelpreisträger Robert Merton. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

Die zweite Präsentation drehte sich um die Praxis des Pensionsmanagements aus Sicht junger Menschen. Hier stellten Sujan Lahiri (FNV) und Matt Sims (Young Pension Trustee Network) ihre Erfahrungen vor. Lahiri sprach davon, dass junge Menschen gegenüber Pensionssystemen wenig Vertrauen hätten, da sie ihre Vorteile darin nicht erkennen. Sims fügte hinzu, dass das Thema zudem sehr komplex und schwer zu verstehen sei, aber es auch an grundlegender Bildung etwa in der Schule mangelt. Beide stimmten überein, dass die Systeme vereinfacht werden und einem holistischen Ansatz folgen sollten, um mehr Engagement zu erreichen.

Auch in der anschließenden Panel-Diskussion ging es um die Herausforderungen rund um Pensionen. Margriet Nip-Westendorp (Stichting Pensioenfonds Hoogovens) informierte die Teilnehmer zunächst über die neuen Pensionsvereinbarungen in den Niederlanden, die bis zum Jahr 2026 umgesetzt werden sollen und eine große Herausforderung darstellen. Ein wichtiger Teil davon ist der Übergang vom als veraltet erachteten Defined-Benefit- zum modernen Defined-Contribution-System. Sandro Doudin (Zurich Insurance) sah die Herausforderung darin, dass sich jeder selbst um seine Pensionen kümmern müsse, vom initialen Sparen bis zum langfristigen Denken, was viele abschreckt. Nikolaj Pedersen (PRI) nannte Nachhaltigkeit als entscheidenden Faktor, um abseits des klassischen Rendite/Risiko-Profils systemische Risiken zu vermeiden, aktives Stewardship zu ermöglichen und die Allokation in Einklang mit ESG-Kriterien zu bringen.

Die beiden letzten Präsentationen drehten sich um das Thema künstliche Intelligenz. Daniela Rus (CSAIL, MIT) gab einen Überblick und nannte Robotik sowie Machine Learning als Schlüsselbereiche. Ziel sei es, künstliche Intelligenz als Assistent zu betrachten, der bestimmte Aufgaben wie Musterkennung, Risikoanalyse oder operative Prozessunterstützung erfüllt, aber keinen klassischen Beruf ausübt. Das heißt, Mensch und Maschine sollten in Zukunft stärker zusammenarbeiten, da sie gemeinsam effektiver sind. Aufgaben allein an Algorithmen zu übergeben und diese autark agieren zu lassen sei in den meisten Bereichen auf absehbare Zeit nicht denkbar.

 

Daniela Rus: Herausforderungen künstliche Intelligenz World Pension Summit
Daniela Rus: Herausforderungen für künstliche Intelligenz. Quelle: Daniela Rus, WorldPensionSummit 2020

 

Das finale Panel diskutierte weitere Fragen rund um künstliche Intelligenz. Charles Wu (State Super) nannte die entscheidenden Herausforderungen für Anwendungen an den Märkten: Schlechtes Signal-to-Noise Ratio, schwache Stationarität und schwer erklärbare Zusammenhänge zwischen Input und Output. Deshalb sollte künstliche Intelligenz nur in Teilen des Investmentprozesses zum Einsatz kommen. Die beiden anderen Panel-Teilnehmer, Terhi Halme (APG) und Ashby Monk (Stanford University), stimmten zu. Ashby ergänzte, dass es keine Innovation ohne gleichzeitiges Fehlerpotenzial gebe, weshalb man sich zunächst auf Prozesse abseits der besonders schwierigen Alpha-Generierung fokussieren sollte: Risikomanagement, operative Prozesse und passive Anlagekriterien. Frei werdende Kapazitäten könnten die menschlichen Mitarbeiter effektiv nutzen, um höherwertige Aufgaben zu erledigen. Menschen hätten gegenüber Maschinen in allen Bereichen, die menschliche Interaktion erfordern, immer einen relativen Vorteil, sodass die wichtigen Jobs an den Finanzmärkten in absehbarer Zeit kaum wegrationalisiert würden.

 

4. Tag: Langfristiges Denken

Die Kick-Off Präsentation des vierten Tages hielt Ronald Wuijster (APG). Er sprach davon, dass Asset-Besitzer schon immer mit ständig neuen Rahmenbedingungen umgehen mussten. Zwar stelle Corona angesichts der enormen Stimuli eine Sondersituation dar, aber vieles sei bereits zuvor ins Rollen gekommen: Ein verlangsamtes Produktionswachstum, steigende Schulden und die Suche nach Rendite. Wuijster nannte mögliche Lösungen wie weitere Kostensenkungen, den Einbezug besserer Daten und Technologien sowie ein optimiertes Talent- und Wissensmanagement. Für konkrete Investments würde sich vor allem der Infrastrukturbereich eignen.

 

Ronald Wuijster Beta Alpha Faktorrenditen Alternatives World Pension Summit
Ronald Wuijster: Beta, Alpha, Faktorrenditen und Alternatives. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

Die folgende Panel-Diskussion drehte sich um private gegenüber öffentlichen Investments. Simon Pilcher (USS) sprach davon, dass bei der Suche nach Rendite inflationsgebundene Komponenten einzubeziehen sind, um späteren Verpflichtungen auf realer Basis nachkommen zu können. Der Vorteil von Pensionsfonds seien die illiquiden, auf Jahrzehnte hin ausgerichteten Verbindlichkeiten, was auch bei den Assets eine entsprechend langfristige Charakteristik ermögliche. Dem stimmte Andrew Halsey (ABB Group) zu und ergänzte, dass aus diesem Grund, aber auch wegen der meist besseren Renditen, private Investments in Immobilien oder Private Equity so attraktiv seien. Katja Solovaara (NYC Retirement Systems) sagte, dass die Bedeutung privater Assets wohl auch weiterhin zunehme. Ein weiterer Vorteil sei, dass ein direkteres Engagement mit den Unternehmen möglich sei, sodass sich nachhaltige Kriterien besser durchsetzen lassen.

Gegen Mittag folgte eine umfassende Präsentation von John Sitilides (Trilogy Advisors) zum Thema Geopolitik, die sich kaum in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt. Er argumentierte, dass kein Ende der Globalisierung absehbar sei und wir eher eine Re-Globalisierung sehen. Dabei komme es vor allem auf die Seewege an, auf denen rund 90 Prozent des Welthandels abgewickelt werde. Zunehmend negativ werde jedoch China gesehen. Die Hoffnungen auf eine freie, demokratische Entwicklung und die Einhaltung der Menschenrechte seien immer wieder enttäuscht worden. Das Land mache kleinere Nationen über Kredite von sich abhängig, vermische zivile und militärische Absichten und verhalte sich wenig vertrauenswürdig gegenüber Handelspartnern. Das Ziel der westlichen Welt müsse es sein, China im eigenen Interesse des Landes dazu zu bringen, endlich diplomatischer zu werden und sich an die Spielregeln zu halten.

 

John Sitilides Geopolitik World Pension Summit
John Sitilides zum Thema Geopolitik. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

Die nächste Präsentation hielt Tom Orlik (Bloomberg Economics). Die bisherige Erholung vom Corona-Schock beinhalte seiner Analyse nach eine gute Portion Optimismus, weshalb potenzielle Risiken eventuell zu wenig beachtet würden. In den meisten Rezessionen kam es zunächst nur zu einer L-förmigen Erholung, sodass sich die aktuellen Erwartungen als überzogen herausstellen könnten. Potenzielle Risiken seien eine erneute Corona-Welle, ein unentschiedener Wahlausgang in den USA mit Aufschieben weiterer Hilfsmaßnahmen und einer Abkopplung Chinas von den USA und weiteren Handelspartnern, wenngleich letzteres eher unwahrscheinlich sei.

Im finalen Panel sprachen Debby Blakey (HESTA), Gabriel Bernardino (EIOPA) und Clive Lipshitz (Tradewind Interstate Advisors) über die Zukunft der Pensionslandschaft. Blakey zeigte sich optimistisch und sprach davon, dass die Generation der Millenials offen für Veränderung sei und künftig zentrale Rollen besetzen werde, woraus sich erhebliche positive Entwicklungen ergeben könnten. Neben der Suche nach auskömmlichen Renditen komme es künftig noch mehr darauf an, wirklich langfristig zu denken und nachhaltig zu handeln. Lipshitz wies darauf hin, dass das US-Pensionssystem früher einen Überschuss verzeichnete, aber heute ein erhebliches Defizit aufweist. Es werde nur über oberflächliche Themen wie die erzielten Renditen gesprochen, aber nicht über entscheidende, strukturelle Probleme und unrealistische Annahmen. Zwar könne man Pensionen mit demografischen Daten gut kalkulieren, aber mögliche Sprünge in der Lebenserwartung stellten eine große Unbekannte dar. Bernardino sprach davon, dass die Pensionssysteme weltweit vor ähnlichen Herausforderungen stehen, sodass man voneinander lernen könne. In Europa gebe es einen Flickenteppich unterschiedlicher, überteuerter Systeme. Es fehle der politische Wille, zukunftsgerichtet zu agieren und am Übergang von Defined Benefits zu Defined Contributions zu arbeiten. Optimal wäre eine europaweite Standardlösung, die einfach, transparent und kostengünstig ist.

 

5. Tag: Navigating Now

Der letzte Konferenztag startete mit einer Panel-Diskussion zum Thema Kommunikation und Engagement in Pensionssystemen. Katie Selenski (CalSavers) sprach von einer recht hohen Beteiligung von Menschen mit niedrigem Einkommen, was sie zuversichtlich für die Zukunft stimmt. Zunächst gehe es aber darum, möglichst viele Menschen mit dem Set-and-Forget-Prinzip zu erreichen. Ivana Zanardo (HOOPP) schilderte, dass viele Menschen wenig Vertrauen in Pensionssysteme hätten und eher externen Beratern vertrauen. Umso wichtiger sei eine Kommunikation, die echte Bedürfnisse anspricht. Gregg McClymont (IFM Investors) ergänzte, dass sich wenige junge Menschen für Pensionen interessieren, während sie ihre Investmententscheidungen zum Teil ohne jegliches Fachwissen treffen. Alle stimmten überein, dass man die Kommunikation speziell auf einzelne Altersgruppen zuschneiden sollte.

In der zweiten Diskussionsrunde ging es um die Frage, ob in Pensionsfonds wirklich Risiken abgebaut wurden. Barry Kenneth (Pension Protection Fund) sah Risiken vor allem in den Bereichen Regulierung und Reputation, aber auch bei aktuellen Themen wie den hohen Bewertungen und Schulden. Alessandra Cardoso (Nestlé UK Pension Fund) beschrieb den Trend, dass Defined-Benefit-Pläne geschlossen werden. In der Folge würden zwar die Aktienquoten und damit die Schwankungen verringert, aber auch die Renditen, und Risiken im Kreditbereich und bei der Liquidität würden entstehen. Simon Frechet (Bruce Power) ergänzte, dass man Marktrisiken übernehmen müsse, um überhaupt noch attraktive Renditen zu erzielen.

Die dritte Panel-Diskussion drehte sich um die Frage, wie in der heutigen Zeit investiert werden kann. Cheryl Alston (Retirement Fund Dallas) wies auf die bisher bessere Performance nachhaltiger Fonds hin und sprach von einer Ausweitung der dortigen Allokationen. Auch bei Infrastruktur und Private Equity sah sie Chancen. Die Erholung von Corona beschrieb sie K-förmig: wirtschaftlich besser gestellte Bevölkerungsgruppen seien auf einem guten Weg, während benachteiligte Gruppen nach wie vor stark betroffen sind. Für die von der Krise erschütterten Branchen und vor allem Kleinunternehmen brauche es weitere Unterstützung. Troy Rieck (LGIAsuper) zufolge wäre es eine große Herausforderung, wenn es zu Inflation kommen sollte, während weiter nur niedrige Renditen erzielbar sind. Luc Olivier (La Financiere de l’Echiquier) sprach davon, dass sich aus dem Inflations- und Wirtschaftszyklus entsprechende Präferenzen für Growth oder Value ergeben, aber zunächst wohl weiterhin Growth profitieren werde.

 

Mariana Mazzucato Wirtschaft World Pension Summit
Mariana Mazzucato: Wirtschaft neu denken. Quelle: WorldPensionSummit 2020

 

Die abschließende Keynote-Präsentation hielt Mariana Mazzucato (University College London). Ihrer Einschätzung nach muss Wirtschaft neu gedacht werden, um innovativ und nachhaltig zu sein und Menschen in der Breite einzubeziehen, was den Abbau der bisher zunehmenden Ungleichverteilung ermögliche. Der Shareholder Value stelle nicht mehr das alleinige Ziel dar, sondern alle Stakeholder müssten berücksichtigt werden. Ein zentrales Problem sieht sie im Narrativ der heutigen Zeit, dass der Staat nur noch als Problemlöser wahrgenommen werde statt als proaktiver Faktor. Dabei basieren viele Technologien auf den Ergebnissen staatlich finanzierter Grundlagenforschung, ohne die der Erfolg so mancher Unternehmen gar nicht möglich gewesen wäre. Als Lösung schlägt sie eine an Missionen orientierte Politik vor, um Forschung und Entwicklung voranzutreiben. Dabei müssten neben den Risiken auch die späteren Renditen angemessen verteilt werden. So könne neben künftigem Wachstum auch ein wirklich kollektiver Wert entstehen, was eine faire, ausgeglichene Wirtschaft ermögliche.

 

Fazit

Es war eine gute Idee, die Konferenz auf fünf Tage zu strecken, da die Teilnehmer bei Online-Veranstaltungen eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne haben. Technisch gab es nur kleinere Pannen, die schnell und pragmatisch gelöst wurden. Interessant war neben den Präsentationen die Möglichkeit, am virtuellen Networking teilzunehmen, bei dem zufällig jeweils zwei Teilnehmer einander für drei Minuten mit Bild und Ton zugeschaltet wurden.

Inhaltlich stand natürlich das Thema Pensionen im Mittelpunkt, wobei es neben dem aktuellen Stand vor allem um die Herausforderungen für die Systeme in Europa, den USA und Australien ging. Zu den wichtigsten Aufgaben für Europa zählen ein stärkerer Fokus auf Defined Contribution sowie eine Vereinheitlichung der Systeme. Allgemeine Herausforderungen sahen die Experten vor allem im geringen Interesse der Menschen an ihrer Altersvorsorge, in der zunehmend schwierigen Suche nach Rendite und in der Ungleichverteilung von Vermögen in der Gesellschaft. Als mögliche Lösungsansätze wurden unter anderem engagiertes Stewardship, Investments in potenziell rentablere Projekte in Infrastruktur, Private Equity und nachhaltige Assets sowie ein Neudenken unserer Wirtschaftsordnung diskutiert.

Darüber hinaus wurde eine erstaunlich breite Palette an angrenzender Themen geboten. Einige Einschätzungen, die sich während der Konferenz wiederholten, waren die schnelle und koordinierte Reaktion der Zentralbanken und Regierungen im Zuge der Coronakrise, die Herausforderungen im Nullzinsumfeld und die enorme Bedeutung nachhaltiger Investments. Gerade zu letzterem Punkt überwog die positive Einschätzung, dass die Finanzindustrie ihrer Verantwortung nachkommt, aber auch, dass die junge Generation einen weitaus dringlicheren Blick auf den Klimawandel und damit verbundene Herausforderungen hat und bereit ist, etwas zu verändern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert